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Channel: Herkunftstäuschung – Rechtslupe
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Produktgestaltung – und der Rückschluss auf die betriebliche Herkunft

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Die Merkmale und die Gestaltung eines Produkts sind regelmäßig nicht geeignet, einen Rückschluss auf seine betriebliche Herkunft zu ermöglichen, wenn es sich bei dem angesprochenen Verkehr um den Endverbraucher handelt und identische Produkte unter verschiedenen Herstellermarken angeboten werden.

Der Vertrieb einer Nachahmung ist nach § 4 Nr. 9 UWG wettbewerbswidrig, wenn das nachgeahmte Produkt wettbewerbliche Eigenart aufweist und besondere Umstände – wie eine vermeidbare Täuschung über die betriebliche Herkunft (§ 4 Nr. 9 Buchst. a UWG) oder eine unangemessene Ausnutzung der Wertschätzung des nachgeahmten Produkts (§ 4 Nr. 9 Buchst. b UWG) – hinzutreten, aus denen die Unlauterkeit folgt. Dabei besteht eine Wechselwirkung zwischen dem Grad der wettbewerblichen Eigenart, der Art und Weise und der Intensität der Übernahme sowie den besonderen wettbewerblichen Umständen. Je größer die wettbewerbliche Eigenart und je höher der Grad der Übernahme sind, desto geringere Anforderungen sind an die besonderen Umstände zu stellen, die die Unlauterkeit der Nachahmung begründen und umgekehrt.

Ein Erzeugnis besitzt wettbewerbliche Eigenart, wenn die konkrete Ausgestaltung oder bestimmte Merkmale des Erzeugnisses geeignet sind, die interessierten Verkehrskreise auf seine betriebliche Herkunft oder seine Besonderheiten hinzuweisen. Ein Erzeugnis hat keine wettbewerbliche Eigenart, wenn der angesprochene Verkehr die prägenden Gestaltungsmerkmale des Erzeugnisses nicht (mehr) einem bestimmten Hersteller oder einer bestimmten Ware zuordnet. Für die wettbewerbliche Eigenart kommt es zwar nicht darauf an, ob der Verkehr den Hersteller der Ware namentlich kennt; erforderlich ist aber, dass der Verkehr annimmt, die Ware stamme von einem bestimmten Hersteller, wie auch immer dieser heißen möge, oder sei von einem mit diesem verbundenen Unternehmen in Verkehr gebracht worden.

Der Verkehr kann sich grundätzlich nur an den äußeren Gestaltungsmerkmalen einer Ware orientieren. Nicht erforderlich ist es, dass die Verbraucher die Besonderheiten, die eine Gestaltung des Erzeugnisses gerade im Gebrauch aufweist, bereits auf den ersten Blick erkennen.

Ästhetische Merkmale eines Produkts können seine wettbewerbliche Eigenart begründen, wenn sie sich eignen, es von vergleichbaren Produkten anderer Hersteller abzugrenzen.

Technisch notwendige Merkmale, die bei gleichartigen Erzeugnissen aus technischen Gründen zwingend verwendet werden müssen, können aus Rechtsgründen keine wettbewerbliche Eigenart begründen. Die Übernahme solcher – nicht oder nicht mehr unter Sonderrechtsschutz stehender – Gestaltungsmerkmale ist mit Rücksicht auf den Grundsatz des freien Stands der Technik wettbewerbsrechtlich nicht zu beanstanden. Handelt es sich dagegen nicht um technisch notwendige Merkmale, sondern nur um solche, die zwar technisch bedingt, aber frei austauschbar sind, ohne dass damit Qualitätseinbußen verbunden sind, können sie eine wettbewerbliche Eigenart (mit)begründen, sofern der Verkehr wegen dieser Merkmale auf die Herkunft der Erzeugnisse aus einem bestimmten Unternehmen Wert legt oder mit ihnen gewisse Qualitätserwartungen verbindet.

Werden identische Produkte unter verschiedenen Herstellermarken und zu unterschiedlichen Preisen angeboten, besteht – wenn es sich bei dem angesprochenen Verkehr um den Endverbraucher handelt – regelmäßig keine Veranlassung anzunehmen, dass die Produkte vom selben Hersteller stammen. Da es die Funktion der Marke ist, dem Verkehr die Ursprungsidentität des damit gekennzeichneten Produkts zu garantieren, wird der Verkehr vielmehr annehmen, dass verschiedene Marken auf eine unterschiedliche betriebliche Herkunft der entsprechend gekennzeichneten Produkte hinweisen.

Zwar kann es für die Annahme einer wettbewerblichen Eigenart unschädlich sein, wenn der Verkehr aufgrund verschiedener Kennzeichen davon ausgeht, es handele sich bei dem beanstandeten Produkt um eine neue Serie oder eine Zweitmarke des Originalherstellers oder es bestünden zu ihm zumindest lizenz- oder gesellschaftsvertragliche Beziehungen. Ob diese Annahme im jeweiligen Streitfall gerechtfertigt ist, hängt jedoch von der tatrichterlichen Würdigung der relevanten Umstände des Einzelfalls ab.

Der angesprochene Verkehr vermutet hinter jeder Marke ein anderes Herstellerunternehmen. Danach ist ausgeschlossen, dass die angesprochenen Endverbraucher die verschiedenen Marken, mit denen die von der Herstellerin vertriebenen Produkte gekennzeichnet sind, als Handels- marken auffassen, hinter denen ein Hersteller steht. Nichts anderes ergibt sich aus der BGH, Entscheidung “Gartenliege”. Im dort entschiedenen Fall hatte die Klägerin ihre Gartenliege kleineren Anbietern geliefert, die die Liege unter ihrer eigenen Marke oder als Eigenprodukte vertrieben hatten. Dies geschah jedoch nicht in großen Stückzahlen und war schon deshalb ungeeignet, die Auffassung des Verkehrs hinreichend zu beeinflussen. Auch der Umstand, dass die dortige Beklagte in mehreren aufeinanderfolgenden Jahren in ihren zahlreichen Filialen die in Streit stehenden Gartenliegen unter ihrer Eigenmarke vertrieben hatte, stand der Annahme nicht entgegen, dass der angesprochene Verkehr angesichts der verwendeten Produktmerkmale hiermit Herkunftsvorstellungen verband. Nach den im dortigen Fall maßgeblichen Feststellungen lag es für maßgebliche Teile des Verkehrs nahe anzunehmen, die Beklagte vertreibe die Waren von Fremdherstellern. Dass im Streitfall ein vergleichbarer Sachverhalt vorliegt, ist aber gerade nicht festgestellt und ist auch nicht anzunehmen.

Ein Unterlassungsanspruch nach § 8 Abs. 1, §§ 3, 5 Abs. 2 UWG besteht ebenfalls nicht. Nach § 5 Abs. 2 UWG ist eine geschäftliche Handlung irreführend, wenn sie im Zusammenhang mit der Vermarktung von Waren oder Dienstleistungen einschließlich vergleichender Werbung eine Verwechslungsgefahr mit einer anderen Ware oder Dienstleistung oder mit der Marke oder einem anderen Kennzeichen eines Mitbewerbers hervorruft. Dies kommt im Streitfall nur in Betracht, wenn die angesprochenen Verbraucher trotz der Vielzahl der Marken, unter denen die in Rede stehenden Originalprodukte vertrieben werden, allein anhand der äußeren übereinstimmenden Merkmale davon ausgehen, diese stammten von einem Hersteller oder aus der Produktion miteinander verbundener Unternehmen. Das ist gerade nicht der Fall.

Bundesgerichtshof, Urteil vom 19. November 2015 – I ZR 109/14


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